Über die DGNI

Herkunft und Ziele

Die Deutsche Gesellschaft für NeuroIntensiv- und Notfallmedizin (DGNI) fördert Wissenschaft, Praxis, Forschung und Pflege in der neurologischen und neurochirurgischen Intensiv- und Notfallmedizin. Sie hat sich zum Ziel gesetzt sowohl die klinischen Versorgungsstrukturen wie auch die wissenschaftliche Fortentwicklung auf dem Gebiet der NeuroIntensivmedizin und Notfallmedizin zu unterstützen, damit Patienten mit Gehirnblutung, Schlaganfall, Schädel-Hirn-Trauma, um nur einige zu nennen, überall auf höchstem Niveau behandelt werden können.

Aktuell hat die DGNI mehr als 1180 Mitglieder (Stand Januar 2024), die als Ärzte, Pfleger oder Therapeuten im Bereich der NeuroIntensivmedizin arbeiten.

 

Studien 2022

Von Dr. med. Sylvia Bele (IFAANS, Uniklinikum Regensburg)

Steht die myokardiale- und die Lungenschädigung bei SAB Patienten zeitlich im Zusammenhang mit DKohorten-Beobachtungsstudie der Medical University of Silesia, Katowice/Polen: Neurogenic Myocardial and Lung Injury in SAH Patients.
Mit dem Fokus auf inflammatorischen Prozessen stellt die prospektive Phase III Multizenterstudie The Fight INflammation to Improve outcome after aneurysmal Subarachnoid HEmorRhage (FINISHER) die sekundäre Schädigung nach aneurysmatischer Subarachnoidalblutung in den Mittelpunkt. Die Phase III Multizenterstudie BONANZA Trial, eine Parallelstudie zum BOOST III Trial, vergleicht den Einfluss einer PbtO2- und ICP-gesteuerten Therapie mit der rein ICP-gesteuerten Therapie nach schwerem Schädel-Hirn-Trauma (SHT).
Find AF-2 Studie untersucht als prospektive Multizenterstudie mit einer Nachverfolgungszeit von mindestens 2 Jahren, wie viele Rezidivschlaganfälle durch eine verbesserte Diagnostik des Vorhofflimmerns und entsprechend frühere orale Antikoagulation verhindert werden könnten.
Bei der Multizenterstudie Swiss Trail of decompressive Craniectomy versus best Medical Treatment of Spontaneus Supratentorial Hemorrhage: A Randomized Controlled Trial (SWITCH Trial) geht es um die Frage, ob bei intrazerebralen Blutungen eine Kombinationstherapie – die Dekompressions-kraniektomie zur Entlastung des intrakraniellen Druckes in Verbindung mit der bestmöglichen konservativen Therapie – einen Vorteil gegenüber der rein konservativen Therapie hat.

Studien 2021

Acht wichtige Multicenterstudien in der Neurochirugie/ Neurologie mit spannenden neuen Erkenntnissen für die NeuroIntensivmedizin wurden von Dr. med. Sylvia Bele, Klinik und Poliklinik für Neurochirurgie, Universitätsklinikum Regensburg, zusammengetragen.

  1. pRevention and trEament of vAsospasm with clazosenTan = REACT-Studie (Idorsia)
  2. Studie zur Permissiven Hyperkapnie nach SAB
  3. Brain Oxygen Optimization in Severe TBI =BOOST III Studie bei Schädel-Hirn-Trauma (SHT)
  4. Comparison of fluorescein-INtra-VItal microscopy Versus conventional frozen section
  5. The Global Consortium Study of Neurological Dysfunction in COVID-19 (GCSNeuroCOVID): Development of Case Report Forms for Global Use
  6. Clinical Trial on remote ischemic conditioning in acute ischemic stroke within 9 h of onset in patients ineligible to recanalization (Universität Mailand)
  7. Don’t Perish Studie (Dr. Wartenberg, Uniklinikum Leipzig)
  8. Cerebrospinal fluid hemoglobin to monitor for aneurysmal subarachnoid hemorrhage related secondary brain injury (SAH-SBI) (Universität Zürich)

Studien 2020

In der NeuroIntensivmedizin gibt es aktuelle Studien mit spannenden neuen Erkenntnissen, von denen jeweils zwei zur Neurochirurgie von Dr. med. Sylvia Bele, Uniklinikum Regensburg, Klinik und Poliklinik für Neurochirurgie, und zwei zur Neurologie von Dr. med. Bernhard Neumann, Klinik und Poliklinik für Neurologie der Universität Regensburg, vorgestellt werden.

  1. Bei der Implantation eines VP- oder VA-Shunts zur Therapie eines Hydrocephalus soll ein neues Tool die Vermeidung der Berührung des Shunts mit den Händen während der OP erleichtern.
  2. Eine retrospektive Auswertung einer prospektiven Studie an über 100 amerikanischen Kliniken untersucht die Verwendung Antibiotika-beschichteter Shunts (ABS) und die Gabe intrathekaler Antibiotika am Ende des Eingriffs zur potentiellen Vermeidung postoperativer Infektionen.
  3. Eine chinesische Studie vergleicht die endovaskuläre Thrombektomie mit oder ohne vorangegangene systemische Thrombolyse und analysiert die neurologischen Folgeschäden anhand der modifizierten Rankin-Skala.
  4. Eine weitere aktuelle Studie untersucht die Wirksamkeit von Levetiracetam, Valproat und Phenytoin bei Kindern und Erwachsenen bei der Behandlung des konvulsiven Status epilepticus.

Studien 2019

Im Juli 2019 wurde in „Neurocritical Care“, dem offiziellen Journal der NCS, als erste gesellschaftsübergreifende Zusammenarbeit der DGNI und der NCS die gemeinsam entwickelte Gap-Analyse veröffentlicht. Sie bietet als qualitative Lückenanalyse einen Rahmen für weitere klinische Studien sowie auch zur Erstellung einer gemeinsamen Richtlinie über Prognosefindung auf der NeuroIntensivstation.

Hier finden Sie die gesamte Stellungnahme „Gap Analysis Regarding Prognostication in Neurocritical Care

Studien 2018

Die DGNI bietet Ihnen an dieser Stelle einmal im Jahr ein Update der wichtigsten Studien in der NeuroIntensivmedizin, um ihre Mitglieder zu informieren. Dr. Sylvia Bele, PD Dr. Wolf-Dirk Niesen und Prof. Dr. Thomas Westermaier haben aus der Vielzahl der in den letzten zwei Jahren veröffentlichten internationalen Studien vier relevante und interessante herausgefiltert, zusammengefasst und bewertet.

Patienten mit nicht-perimesencephaler Subarachnoidalblutung ohne Aneurysmanachweis und ohne erkennbare Blutungsquelle haben eine mit der aneurysmatischen SAB vergleichbare Prognose

Bei ca. 5% aller Patienten mit Subarachnoidalblutung (SAB) findet sich eine Aneurysma-negative SAB ohne perimesencephale Blutverteilung und auch ohne anderen Blutungsquellennachweis. Die Prognose und Komplikationshäufigkeit dieses Blutungstyps ist bislang unklar, ebenso wie die daraus resultierende Intensität der Behandlung. Dieser Frage geht die hier vorgestellte prospektive Kohortenanalyse nach. Diese beschäftigt sich mit dem Outcome und den Komplikationen von Patienten mit nicht-perimesencephaler SAB mit fehlendem angiographischen Aneurysmanachweis. In die Studie wurden erwachsene Patienten mit spontaner SAB nach Ausschluß einer perimesencephalen SAB (isoliert oder mit vorwiegend perimesencephalem Schwerpunkt) und einer sekundären Blutungsursache (Trauma, Vaskulitis, arteriovenöse Malformation) eingeschlossen. Die Diagnose einer nicht-perimesencephalen SAB ohne Aneurysmanachweis (NPAN-SAB) wurde bei typischer Blutverteilung mit SAB-Schwerpunkt primär suprasellär, in der Sylvischen Fissur (basal und lateral) und interhemispheriell gelegen und nach zweimaliger Angiographie ohne Aneurysmanachweis im Abstand von einer Woche gestellt. Das Outcome nach 90 Tagen, die Komplikationen sowie die Aufenthaltsdauer wurden zwischen NPAN-SAB und aneurysmatischer SAB verglichen. Primärer Endpunkt war die Entwicklung eines schlechten 90-Tage-Outcomes anhand der modified Rankin Scale (mRS 3-6).

1311 Patienten konnten in die prospektive Analyse eingeschlossen werden. Hiervon wiesen 83 Patienten (4,9%) eine NPAN-SAB auf. Im Vergleich wiesen NPAN-SAB- Patienten einen geringeren Anteil von weiblichen Patienten auf (50,6% vs. 71,2%) und einen niedrigeren initialen Hunt und Hess Schweregrad mit 2 vs. 3 auf. Bei Patienten mit NPAN-SAB konnten Vasospasmen in 4,8% und ein Delayed Ischemic Infarction (DCI) bei 13,1% nachgewiesen werden.

Nach Adjustierung für verschiedene Einflussfaktoren (Fisher Grad, Geschlecht, Diabetes, Hunt und Hess-Grad) fand sich eine niedrigere Vasospasmen-Inzidenz bei NPAN-SAB (p=.002) im Vergleich zu aneurysmatischer SAB, jedoch konnte kein Unterschied im Auftreten eines DCIs festgestellt werden. Auch bei den weiteren Komplikationen (Nachblutung, Hirnödem, Hydrocephalus, Anfälle) fand sich kein Unterschied zwischen NPAN-SAB und aneurysmatischer SAB. Vor allem fand sich nach Adjustierung für typische Outcomeprädiktoren der SAB kein Unterschied in der Assoziation mit einem schlechtem Outcome (OR 1.16, 95% CI 0.61-2.20; p=0.64) oder Tod (OR 1.22; 95% CI 0.36-4.13; p=0.74). Der Studie zufolge haben Patienten mit NPAN-SAB einen vergleichbaren klinischen Verlauf und weisen eine vergleichbare Prognose auf wie Patienten mit aneurysmatischer SAB trotz einer niedrigeren Vasospasmeninzidenz. Dementsprechend sollten Patienten mit NPAN-SAB das gleiche SAB-Management erhalten wie Patienten mit aneurysmatischer SAB und nicht wie Patienten mit perimesencephaler SAB, die zwar in dieser Studie nicht mituntersucht wurden, jedoch anhand der Literatur eine signifikant bessere Prognose aufwiesen, behandelt werden. Wie es zur NPAN-SAB kommt, und warum der Verlauf dem von aneurysmatischen SAB-Patienten ähnlich ist, bleibt aktuell unklar.

Literatur

Al-Mufti F, Merkler AE, Boehme AK, Dancour E, May T, Schmidt JM, Park S, Connolly ES, Lavine SD, Meyers PM, Claassen J, Agarwal S. Functional outcomes and delayed cerebral ischemia following nonperimesencephalic angiogram-negative subarachnoid hemorrhage similar to aneurysmal subarachnoid hemorrhage. Neurosurg 2018; 82(3):359-364

Vitamin D-Status – auch für den NeuroIntensivpatienten ein wichtiger Outcomefaktor

Das fettlösliche Vitamin D ist primär an der Calcium-Homöostase und der Knochenmineralisation beteiligt. In den letzten Jahren werden Vitamin D zunehmend auch relevante pleiotrope immunmodulatorische Effekte und eine Modulation der Immunzellfunktion zugewiesen. In allgemein-intensivmedizinischen Patientenkollektiven konnte gezeigt werden, dass ein Vitamin D Defizit beim kritisch Kranken mit einer höheren Mortalität und einem schlechteren Outcome vergesellschaftet ist. Dies trifft möglicherweise auch auf NeuroIntensivpatienten zu. Dieser Frage geht nun die vorliegende Studie nach, die in einer prospektiven Kohortenstudie den Zusammenhang des 3-Monats-Outcomes von NeuroIntensivpatienten mit dem Aufnahme-Vitamin-D-Status analysiert.

Eingeschlossen wurden erwachsene Patienten mit neurochirurgischem oder neurologischem Aufnahmegrund auf die neurologische Intensivstation, bei denen innerhalb von 24h nach Aufnahme der 25-Hydroxy-Vitamin D-Spiegel bestimmt werden konnte. Ausgeschlossen wurden Patienten, die bei einem 6-Monats-Beobachtungsintervall nicht zum 3-Monats-Follow-up zur Verfügung standen. Innerhalb dieses Zeitraumes verstorbene Patienten wurden in die Analyse aufgenommen. Zur Adjustierung wurden neben der Aufnahmediagnose, dem Alter und dem klinischen Status, die Begleiterkrankung, die Vitamin D-Supplementierung vor und nach der Aufnahme sowie die Intensiverkrankungsschwere anhand des Simplified Acute Physiology Score (SAPS II) erhoben. Die Patienten wurden anhand des Aufnahme-25-Hydroxy-Vitamin D-Status und anhand von Referenzwerten für die ebenfalls abgenommenen Calcium- und Phosphatwerte in 2 Gruppen dichotomisiert (niedrige vs. hohe Vitamin D Spiegel). Primäres Outcome war der Glasgow Outcome Score (GOS) nach 3 Monaten.

Von 888 Patienten im Beobachtungszeitraum konnten 497 Patienten in die Studie aufgenommen werden. 36,6% der eingeschlossenen Patienten wiesen ein Vitamin D-Defizit auf. In der univariaten Analyse waren Vitamin D defiziente Patienten jünger (49,5 ± 16,4 vs 58,0 ± 17,9 Jahre, p < 0,001), hatten häufiger einen aktiven Nikotinabusus (22% vs 13%; p = 0,009) und zeigten seltener eine Vitamin D-Supplementierung (7,1%vs 31,1%; p < 0,001). Darüber hinaus wiesen sie einen höheren BMI auf (29,2 ± 7,0 vs.27,9 ± 6,1 kg/m2; p = 0,035). Im GOS nach 3 Monaten waren Vitamin D defiziente Patienten schwerer beeinträchtigt und wiesen häufiger einen niedrigen GOS von 1-3 auf (34,6% vs 25,1%; p = 0,023). Nach Adjustierung für Einflussfaktoren war ein suffizienter Vitamin D Spiegel >20ng/dl im Vergleich zu Patienten mit einer Vitamin D-Defizienz häufiger mit einem guten Outcome mit einem GOS von 4 und 5 assoziiert (OR 1,768 [95% CI 1,095–2,852).

Die vorliegende prospektive Studie zeigt erstmals, dass auch für NeuroIntensivpatienten der Aufnahme-Vitamin-Status einen relevanten Outcomefaktor darstellt und eine Vitamin D-Defizienz unabhängig mit einem schlechten 3-Monats-Outcome assoziiert ist. Pathophysiologisch werden hierfür eine erhöhte Infektionsrate sowie negative Auswirkung auf eine Vielzahl metabolischer Pathways diskutiert. In wie weit eine Vitamin D-Supplementierung während der akuten Erkrankungsphase bei nachgewiesener Defizienz Einfluss auf das Outcome von NeuroIntensivpatienten hat, ist aktuell unklar und war nicht Gegenstand der vorliegenden Untersuchung. Die vorliegende Studie legt aber den Grundstein für zukünftige randomisierte Studien für die Auswirkung einer Vitamin D-Supplementierung auf das Outcome von NeuroIntensivpatienten.

Literatur

Guan J, Karsy M, Brock AA, Eli IM, Manton GM, Ledyard HK, Hawryluk GWJ, Park MS. Vitamin D status and 3-month Glasgow Outcome Scale scores in patients in neurocritical care: prospective analysis of 497 patients. J Neurosurg. 2018; 128:1635–1641

Die Effektivität von hyperosmolarer NaCl-Lösung im Rahmen von intrakranieller Druckerhöhung nach Schädel-Hirn-Trauma und der Einfluss auf das Outcome

Ein schweres Trauma ist für ca. 5 Millionen Tote weltweit verantwortlich und die Anzahl der Todesopfer wird in den nächsten Jahren noch steigen. Das Schädel-Hirn-Trauma (SHT) gehört zu den schwersten Verletzungen, die im Rahmen eines Traumas entstehen, wenn man berücksichtigt, dass etwa 33% der Patienten mit einem schweren SHT im Krankenhaus versterben und weitere 33% ein schlechtes neurologisches Outcome haben. Die intrakranielle Drucksteigerung gehört hierbei zu den wichtigsten Ursachen der Sterblichkeit und des schlechten neurologischen Outcomes nach einem schweren SHT. Zur bisherigen Standardtherapie gehört die Anwendung osmolarer Lösungen wie Mannitol und Glycerosteril. Darüber hinaus wird auch hyperosmolare Natriumchloridlösung zur Therapie verwandt, wofür es bislang eher kontroverse Arbeiten gab.

Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der Effektivität von hyperosmolarem Natriumchlorid (20%) im Rahmen von intrakranieller Druckerhöhung nach SHT und dem Einfluss auf das Outcome.

Hierzu wurden die Daten von 3 gepoolten prospektiven Studien (Corti-TC, BI-VILI und ATLANREA) ausgewertet. Insgesamt wurden Daten von 1086 Patienten mit SHT, von denen bei 545 Patienten eine therapiewürdige intrakranielle Druckerhöhung auftrat, einbezogen. Von diesen Patienten wurden insgesamt 143 an einem der insgesamt beteiligten 19 Zentren mit hyperosmolarer 20% NaCl Lösung über eine Stunde als Kurzinfusion und danach adaptiert an den Serumnatriumwert behandelt. Die Ergebnisse wurden dann mit den Daten von insgesamt 402 Patienten, die an den anderen Häusern konventionell mit Mannitol oder hyperosmolarem NaCl als Bolus therapiert wurden, verglichen.

Es konnte gezeigt werden, dass deutlich mehr Patienten mit Hirndruckkrisen bei kontinuierlicher hyperosmolarer Natriumtherapie (CHT) überlebten als bei konservativer Therapie (angepasste „hazard ratio“ 1,36-2,23). Dies war mit einem p<0,001 statistisch signifikant. 45,2% der Patienten in der CHT Gruppe erreichten ein gutes Ergebnis (GOS 4-5) nach 90 Tagen gegenüber nur 35,8% der Patienten in der konventionellen Gruppe. Auch dieses Ergebnis zeigte sich statistisch signifikant (p=0,06). Hierbei war der mittlere Serumnatriumwert in der CHT-Gruppe 152 mmol/l und in der konservativen Gruppe 143 mmol/l.

Zusätzlich führten die Autoren einen systematischen Literaturreview durch und fanden 8 Studien, in denen sich ebenfalls ein Vorteil der CHT im Überleben gegenüber der Standardtherapie zeigte. Die vorliegende Arbeit zeigt einen eindrucksvollen Effekt der CHT als Therapie für einen erhöhten intrakraniellen Druck (ICP). Kritisch anzumerken ist, dass hier eine systematische Verzerrung vorhanden ist, da nur eines der Zentren überhaupt die CHT angewandt hat. Parallel hierzu hatte genau dieses Zentrum den höchsten Anteil an Patienten mit ICP-Erhöhung, so dass man sagen muss, dass hier eigentlich die lokale Therapiestrategie eines „high volume centers“ mit den anderen verglichen wird. Allerdings bestätigte sich der Vorteil der CHT auch im systematischen Literatur-Review. Daher kann man sagen, dass bei der bislang nur wenig hochwertigen Evidenz bezüglich der Osmotherapie zur Outcome-Verbesserung nach SHT einiges für die Anwendung von hyperosmolarer NaCl-Lösung zur Therapie des erhöhten Hirndrucks spricht.

Die Autoren schließen mit der Aussage, dass eine randomisierte prospektive klinische Studie notwendig ist, um die hier gezeigten Effekte der CHT zu bestätigen. Daher wurde die COBI Studie (Continuous hyperosmolar therapy for traumatic brain-injured patients) als randomisierte Multizenterstudie mit verblindeter Outcomeauswertung entwickelt, die in Kürze mit dem Einschluss von Patienten beginnt.

Literatur

Asehnoune K et al., Association between continuous hyperosmolar therapy and survival in patients with traumatic brain injury- a multicentre prospective cohort study and systematic review, Crit Care Lond Engl. December 2017; 21(1) K.

Optimales Glucosemanagement bei Neurotraumapatienten

Zur Aufrechterhaltung eines Struktur- und Funktionsstoffwechsels benötigt das Gehirn eine ausreichende Glucoseversorgung. Die Verwertung von Ketonkörpern ist im Rahmen eines Hungerstoffwechsels nach mehreren Tagen bis Wochen in der Lage, die Energieversorgung des Gehirns zu übernehmen, jedoch nicht im Akutfall. Eine schnelle Umstellung der Energieversorgung bei akut auftretenden Hypoglykämien ist nicht möglich, so dass in diesem Fall eine unmittelbare Unterversorgung auftritt. Andererseits ist aus experimentellen Schädel-Hirn-Trauma- und Ischämie-Studien bekannt, dass auch ein Überangebot im Sinne einer Hyperglykämie negativen Einfluss auf Outcome und Hirnschaden haben kann, möglicherweise durch eine Azidifizierung des interstitiellen Milieus [1, 2].

In retrospektiven Auswertungen konnte bei heterogenen Kollektiven von Intensivpatienten eine erhöhte Mortalität bei schlechter Glucosekontrolle und hohen Blutzuckerwerten während der Intensivbehandlung festgestellt werden. Mehrere prospektive Studien an gemischten Patientenkollektiven fanden allerdings keine statistisch signifikanten Unterschiede hinsichtlich Outcome und Mortalität zwischen Patienten, deren Blutzuckerwert niedrig-normal eingestellt wurde (intensive glugose control, IGC), und Patienten, die einer weniger strikten Blutzuckerkontrolle mit einer je nach Studie variierenden, wesentlich höheren Obergrenze unterzogen wurden (conventional glucose control, CGC). Die Inzidenz hypoglykämischer Episoden, die einen unabhängigen Risikofaktor darstellen, war in den IGC-Gruppen erhöht. Somit könnte eine positive Wirkung einer IGC durch hypoglykämische Episoden nivelliert worden sein. Die Einzelstudien waren unterpowert, um verlässliche Aussagen über einzelne Krankheitsbilder treffen zu können. Diesem Aspekt widmeten sich nun zwei kürzlich erschienene Meta-Analysen. Sie beschäftigten sich mit diesem Aspekt beim Subkollektiv der Schädel-Hirn-Trauma Patienten [3, 4]. Es wurden 7 bzw. 10 prospektive, randomisierte Studien in die Analysen eingeschlossen, bei denen Ernährung und Insulingabe mit Blutzucker-Zielbereichen zwischen 70 – 120 mg/dl in der IGC-Gruppe bzw. bis zu einer je nach Studie variierenden Obergrenze zwischen 170 und 220 mm/dl in der CGC-Gruppe erfolgte. Beide Analysen kamen zu dem Schluss, dass hinsichtlich der neurologischen Erholung leichte Vorteile für die IGC bestehen, obwohl die Zahl an moderaten und schweren Hyperglykämien in diese Gruppe um ein Vielfaches erhöht war. Zhu et al. fanden zudem einen Vorteil hinsichtlich infektiösen Komplikationen und einen positiven Effekt auf die Dauer des Krankenhausaufenthalts bei Patienten, die einer IGC unterzogen wurden [4].

Ohne dass bislang eine prospektive Einzelstudie einen signifikanten Vorteil einer IGC bei Schädel-Hirn-Trauma Patienten herausarbeiten konnte, deuten die beiden Meta-Analysen darauf hin, dass eine Blutzuckereinstellung auf niedrig-normale Werte (IGC) grundsätzlich von Vorteil sein könnte. Allerdings scheint mit den üblichen, konventionellen Kontroll- und Überwachungsmethoden ein hohes Risiko zu bestehen, dass teils schwere Hypoglykämien mit desaströsen Folgen auftreten können [5].

Hier könnte der technische Fortschritt Abhilfe leisten. In den letzten Jahren wurden bei Diabetikern Feedback-kontrollierte Insulinpumpen mit kontinuierlicher Messung des Blutzuckerspiegels eingeführt. Bislang werden diese Systeme ambulant bei Typ-1 Diabetikern eingesetzt [6]. Hier könnte auch ein Ansatz für intensivmedizinische Forschung und Anwendung bestehen. So könnten Neurotrauma-Patienten von einer engen Blutzuckereinstellung profitieren, ohne dem Risiko hypoglykämischer Episoden ausgesetzt zu sein.

Literatur

[1] Cherian L et al., Hyperglycemia increases brain injury caused by secondary ischemia after cortical impact injury in rats, Crit Care Med 1997, 25, 1378-1383.

[2] Gisselsson L et al., Hyperglycemia and focal brain ischemia, J Cereb Blood Flow Metab 1999, 19, 288-297.

[3] Hermanides J et al., Glycaemic control targets after traumatic brain injury: a systematic review and meta-analysis, Crit Care 2018, 22, 11-1883.

[4] Zhu C et al., Therapeutic effect of intensive glycemic control therapy in patients with traumatic brain injury: A systematic review and meta-analysis of randomized controlled trials, Medicine (Baltimore) 2018. Jul;97. (30):e11671.

[5] Finfer S et al., Intensive versus conventional glucose control in critically ill patients, N Engl J Med 2009, 360, 1283-1297.

[6] Stone MP et al., Retrospective Analysis of 3-Month Real-World Glucose Data After the MiniMed 670G System Commercial Launch, Diabetes Technol Ther 2018, 20, 689-692.

 

Zusammengefasst wurden die Studien von:

Dr. Sylvia Bele, IFAANS
Oberärztin neurochirurgische Intensivstation
Klinik und Poliklinik für Neurochirurgie, Uniklinikum Regensburg
sylvia.bele@ukr.de

Dr. Wolf-Dirk Niesen
Oberarzt der Neurologischen und Neurophysiologischen Universitätsklinik Freiburg
Leiter der Neurologischen Intensivstation
wolf-dirk.niesen@uniklinik-freiburg.de

Prof. Dr. Thomas Westermaier, MHBA
Leitender Oberarzt, Neurochirurgische Klinik und Poliklinik
Universitätsklinikum Würzburg
Westermaie_T@ukw.de

Studien 2017

Seit dem letzten Jahr hat sich die DGNI zum Ziel gesetzt, einmal im Jahr ein Update der wichtigsten Studien in der NeuroIntensivmedizin zu veröffentlichen, um ihre Mitglieder zu informieren. Zwei Mitglieder haben deshalb aus den vielen in den letzten zwei Jahren veröffentlichten internationalen Studien sieben relevante und interessante herausgefiltert, zusammengefasst und bewertet.

In Vertretung für die Neurologen sichtete und bewertete Dr. Christian Roth, Klinikum Kassel, verschiedene Journals, in Vertretung für die Neurochirurgen Dr. Sylvia Bele, Universitätsklinikum Regensburg. Die Studien beziehen sich auf den ischämischen Schlaganfall, die Subarachnoidalblutung, die intrazerebrale Blutung, das Schädel-Hirn-Trauma und den Status epileptics.

  • Therapeutische Hypothermie im Status epilepticus (HYBERNATUS-Studie)
  • Kopflagerung beim akuten Schlaganfall (HeadPoST-Studie)
  • Intubationsnarkose versus Sedierung während der Thrombektomie (SIESTA-Studie)
  • DAWN-Studie: Thrombektomie im 6-bis-24-Stunden-Zeitfenster bei nachgewiesenem Missmatch zwischen klinischem Defizit und Infarkt
  • Clip versus Coil: die BRAT-Studie
  • CENTER-TBI-Schädel-Hirn-Trauma-Versorgung in Europa
  • Subgruppenanalyse der INTERACT-1-Studie: Blutdruckeinstellung nach intrakranieller Blutung

1. Therapeutische Hypothermie im Status epilepticus (HYBERNATUS-Studie)

Der Status epilepticus ist ein intensivmedizinisches Krankheitsbild mit einer hohen Mortalität zwischen 20 und 40 Prozent. Eine multizentrische randomisierte Studie untersuchte 268 Patienten mit konvulsivem Status epilepticus in zwei Behandlungsarmen: Standardtherapie versus Standardtherapie mit therapeutischer Hypothermie (32-34°C für 24 Stunden). Alle Patienten waren beatmet und eine erste medikamentöse Therapie wurde im Median 40 Minuten nach Anfallsbeginn begonnen. Die Zieltemperatur wurde durch externe Kühlung im Median nach circa fünf Stunden erreicht. Primärer Outcome-Parameter war die Glasgow Outcome Skala (GOS) nach 90 Tagen. Ein gutes Outcome (GOS 5) erzielten 49 Prozent im Hypothermiearm und 43 Prozent in der Kontrollgruppe. Es gab keinen statistisch signifikanten Unterschied. Lediglich EEG-Muster entsprechend einem Status epilepticus waren unter Hypothermie weniger häufig am ersten Tag erkennbar (11 versus 22 Prozent). Alle anderen sekundären Studienziele (Mortalität, Behinderung nach 90 Tagen) zeigten keine signifikanten Unterschiede. Etwa 20 Prozent der Patienten beider Gruppen verstarb innerhalb von 90 Tagen. Nebenwirkungen waren im Hypothermiearm häufiger, vor allem durch eine erhöhte Pneumonierate.
Auch diese gut durchgeführte Studie reiht sich in andere Studien zur therapeutischen Hypothermie bei primären Hirnschädigungen (Schädelhirntrauma, intrakranielle Blutung, ischämischer Schlaganfall) ein, die initial hoffnungsvolle Ergebnisse versprachen (z.B. Reduktion des perihämorrhagischen Ödems bei intrakraniellen Blutungen etc.), aber allesamt keine Verbesserung des Outcomes zeigen konnten. Vergleichbar kam es auch in dieser Studie zu deutlich mehr Komplikationen unter Hypothermie. Es bleibt also dabei: Abgesehen von Patienten nach Reanimation bzw. Kammerflimmern scheint Normothermie und nicht Hypothermie der Goldstandard in der Neuroprotektion zu sein.

Legriel S. et al. Hypothermia for Neuroprotection in Convulsive Status Epilepticus. N Engl J Med. 2016; 375:2457-2467.
 

2. Kopflagerung beim akuten Schlaganfall (HeadPoST-Studie)

Allgemein gilt eine 30-Grad-Oberkörperhochlagerung als Standard und wird in den Leitlinien empfohlen, sowohl bei Schlaganfallpatienten, als auch bei Patienten der Intensivstation. Die Lagerung hat Einfluss auf den intrakraniellen Druck, den zerebralen Perfusionsdruck und auf die Pneumonierate. In einer großen Studie wurden circa 11.000 Patienten mit akutem ischämischen und hämorrhagischen Schlaganfall für 24 Stunden verschieden gelagert: Flachlagerung versus Position mit 30-Grad-Oberkörperhochlagerung. Die initiale Schlaganfallschwere war in beiden Gruppen gering (NIHSS 4). Es wurden nur rund 31 Prozent Patienten mit großen Gefäßverschlüssen und acht bis neun Prozent Patienten mit intrazerebralen Blutungen eingeschlossen. Primärer Outcome-Parameter war der Grad der Behinderung nach 90 Tagen anhand der modified Ranking Skala (mRS). Im Vergleich zur „sitzenden Gruppe“ konnte bei signifikant weniger Patienten die liegende Position für 24 Stunden aufrechterhalten werden (87 versus 95 Prozent). Es ergaben sich nach 90 Tagen keine signifikanten Unterschiede zwischen beiden Gruppen bezüglich des Behinderungsgrades, der Mortalität oder schwerwiegender Komplikationen, wie beispielsweise Pneumonien.
Diese interessante Studie befasst sich mit einem alten, aber sehr wichtigen Thema: Wie sollten Patienten mit intrakraniellen Läsionen gelagert werden? Großer Vorteil der Studie ist die hohe Patientenanzahl. Interessant erscheint, dass die Lagerung die Pneumonierate nicht beeinflusst hat. Die hohe Abbruchrate im Behandlungsarm der 30-Grad-Oberkörperhochlagerung scheint damit zusammenzuhängen, dass ein Teil der Patienten nicht schwer betroffen war. Ein Unterschied im Outcome könnte aber vor allem bei schwer betroffenen Patienten und NeuroIntensivpatienten nachweisbar sein (Vigilanzminderung oder erhöhter intrakranieller Druck). Bis zum gegenteiligen Nachweis sollte die 30- bis 45-Grad-Oberkörperhochlagerung weiterhin Standard für diese Patientengruppe bleiben.

Anderson CS et al. Cluster-Randomized, Crossover Trial of Head Positioning in Acute Stroke. N Engl J Med. 2017; 376:2437-2447.
 

3. Intubationsnarkose versus Sedierung während der Thrombektomie (SIESTA-Studie)

Die mechanische Thrombektomie beim akuten ischämischen Schlaganfall wurde kürzlich aufgrund ihrer guten Wirksamkeit in die deutschen Leitlinien aufgenommen und hat sich neben der intravenösen Thrombolyse als weitere Therapie bei großen intrakraniellen Verschlüssen etabliert. Klare Empfehlungen oder Studien über die peri- oder postinterventionelle Behandlung fehlen bisher. Kürzlich wurde von den Heidelberger Kollegen die SIESTA-Studie veröffentlicht.
Diese monozentrische Untersuchung hat erstmals in einer randomisierten Studie die Intubationsnarkose mit der leichten Sedierung ohne Intubation („conscious sedation“) verglichen. Es wurden 150 Patienten eingeschlossen und das frühe Outcome anhand der Änderung des NIHSS nach 24 Stunden untersucht. Dabei zeigten sich keine signifikanten Unterschiede bezüglich dieses primären Outcome-Parameters unter den zwei Sedierungsverfahren. Die Studie konnte somit keinen Vorteil eines leichten Sedierungsregimes ohne Intubation im Vergleich zur Intubationsnarkose zeigen. Dennoch zeigten Patienten im Behandlungsarm ohne Intubationsnarkose weniger körperliche Beeinträchtigungen (geringerer modified Ranking Score) nach drei Monaten. Interessanterweise war die Pneumonierate in der Intubationsgruppe deutlich erhöht (13,7 versus 3,9 Prozent, p=0,03). Unabhängig vom Narkoseregime bleibt das Zeitintervall der wichtigste Faktor. Deshalb sind etablierte Abläufe innerhalb des gesamten Behandlungsteams wichtig, ebenso wie eine rasche Extubation nach der Intervention, die Pneumonien vermeidet und eine rasche klinische Beurteilbarkeit ermöglicht. Die Entscheidung für oder gegen eine Intubationsnarkose sollte abhängig von klar definierten Faktoren wie Unruhe des Patienten, Übelkeit und Erbrechen oder neurologische Verschlechterung gemacht werden.

Schönenberger S et al. Effect of Conscious Sedation vs General Anesthesia on Early Neurological Improvement Among Patients With Ischemic Stroke Undergoing Endovascular Thrombectomy: A Randomized Clinical Trial. JAMA. 2016; 316:1986-1996.
 

4. DAWN-Studie: Thrombektomie im 6-bis-24-Stunden-Zeitfenster bei nachgewiesenem Missmatch zwischen klinischem Defizit und Infarkt

Kürzlich wurde die DAWN-Studie veröffentlicht, die bereits vor der Publikation im New England Journal of Medicine sehr intensiv diskutiert wurde. In dieser randomisierten multizentrischen Studie wurden Patienten mit intrakraniellen Verschlüssen der A. carotis interna oder der proximalen A. cerebri media im 6-bis-24-Stunden-Zeitfenster („last well seen“) eingeschlossen.

Die Patienten wurden in einen Arm mit Standardbehandlung inklusive mechanischer Thrombektomie oder in einen Arm mit einer alleinigen Standardbehandlung randomisiert. Die Studie war darauf ausgelegt, das funktionelle Ergebnis nach 90 Tagen zu testen (modified Ranking Scale = mRS). Ein wichtiges Einschlusskriterium war ein Missmatch zwischen schwerem klinischen Defizit (NIHSS) und geringer Diffusionsstörung in der Kernspintomografie (Diffusions/ Perfusionsgewichtung) oder alternativ in der CT-Perfusion. Die Studie wurde nach einer Interimsanalyse aufgrund einer eindeutigen Überlegenheit der Patienten im Thrombektomie-Arm frühzeitig abgebrochen. Der mRS nach 90 Tagen war signifikant geringer und signifikant mehr Patienten waren funktionell unabhängig in der Gruppe der Thrombektomie-Patienten im Vergleich zur Kontrollgruppe (mRS: 3,4 versus 5,5; funktionelle Unabhängigkeit: 49 versus 13 Prozent). Die Thrombektomie erfolgte im Mittel 13 Stunden nachdem die Patienten zuletzt ohne Defizit gesehen wurden.

Diese Studie unterstreicht die Wichtigkeit der Thrombektomie und zeigt den Nutzen einer mechanischen Rekanalisation auch nach mehreren Stunden. In der Praxis ist es oft schwierig, den genauen Zeitpunkt des Symptombeginns festzulegen. Umso wichtiger ist die richtige Patientenauswahl, die neben einer frühen Darstellung der intrazerebralen Gefäße auch die klinischen Defizite und Perfusionsstudien mittels MRT oder CT-Perfusion in der Therapieentscheidung berücksichtigt. Damit eröffnen sich für eine Vielzahl von Schlaganfallpatienten neue Therapiemöglichkeiten.

Noguerira RG et al. Thrombectomy 6 to 24 Hours after Stroke with a Mismatch between Deficit and Infarct. NEJM; 2017 doi: 10.1056/NEJMoa1706442

 

Korrespondenz:

Priv. Doz. Dr. med. Christian Roth
Leitender Oberarzt, Neurologische Klinik, Klinikum Kassel
Mönchebergstraße 41-43
34125 Kassel
E-Mail: christian.roth@klinikum-kassel.de

 

5. Clip versus Coil: die BRAT-Studie

Die häufigste Ursache für eine nicht-traumatische Subarachnoidalblutung (SAB) ist die Ruptur eines Aneurysmas. Die notwendige Versorgung eines Aneurysmas kann entweder endovaskulär mittels Coiling, Coiling in Verbindung mit Stenting oder Flow Diverter oder aber operativ mittels Clipping erfolgen. Für die Nachbehandlung auf einer NeuroIntensivstation ist die Art der Versorgung durchaus von Bedeutung, da die endovaskuläre Versorgung teilweise eine Thrombozytenaggregationshemmung notwendig macht. Dies kann im Fall notwendiger neurochirurgischer Eingriffe, wie der Anlage einer externen Ventrikeldrainage, zu einem deutlich erhöhten Blutungsrisiko führen. Große Multicenterstudien, wie die ISAT-Studie, kamen zu dem Schluss, dass Coiling eine sicherere Versorgungsalternative darstellt und innerhalb des ersten Jahres nach Versorgung ein besseres Outcome verglichen mit dem Clipping aufweist.

Die Post-hoc-Analyse der BRAT-Studie bezüglich sakkulärer Aneurysmen als Ursache für eine SAB untersucht erneut das Outcome der Patienten nach SAB im Verhältnis zum Versorgungsmodus, allerdings mit deutlich längerer Nachuntersuchungszeit.
Hierfür wurden die Patienten mit aneurysmatischer SAB dem Versorgungsmodus „Clip“ oder „Coil“ zufällig zugeteilt und entsprechend bei Entlassung, nach sechs Monaten, einem Jahr, drei Jahren und sechs Jahren nachuntersucht, wobei der modified Rankin Score (mRS) angewendet wurde. Insgesamt wurden 500 Patienten eingeschlossen, von denen 29 im Verlauf ausgeschlossen wurden, da die Einwilligung zur Teilnahme widerrufen wurde. Von den 471 verbleibenden Patienten hatten 414 ein Aneurysma als Blutungsursache, davon waren 362 (87 Prozent) sakkulär. Die Patienten wurden zu Clipping oder Coiling randomisiert, d.h. 181 in jede Gruppe. In jeder Gruppe verstarben drei Patienten vor der Therapie. Die verbleibenden Patienten waren hinsichtlich der demografischen Verteilung sehr gut vergleichbar. Von den 178 Patienten der Clipping-Gruppe gab es einen Cross-over in die Coiling-Gruppe, aber insgesamt 64 (36 Prozent) wurden von der Coiling-Gruppe in die Clipping-Gruppe überführt (p=0,0001). Die Ursache hierfür war in den meisten Fällen eine intrazerebrale Blutung, die zusätzlich operativ entfernt werden musste, was bedeutet, dass diese Patienten bereits initial eine neurologische Verschlechterung aufwiesen. Dies erklärt, dass die Coiling-Gruppe bei Entlassung und nach sechs Monaten ein weniger schlechtes Outcome hatte als die Clipping-Gruppe (5,5 versus 6,9 Prozent). Diese Daten stimmen mit der ISAT-Studie überein. Bei der Untersuchung des neurologischen Outcomes nach drei und sechs Jahren zeigte sich dann allerdings kein Unterschied zwischen den beiden Gruppen.

Große Metaanalysen haben nachgewiesen, dass es bei gecoilten Aneurysmen eine Rezidivrate von 20,8 Prozent mit notwendiger Behandlung in 10,3 Prozent der Fälle gibt. Dies ist abhängig von der Verschlussrate des Aneurysmas (Risiko 1,1 Prozent bei 90 Prozent Verschlussrate, 17,6 Prozent bei <70 Prozent Verschlussrate). In der BRAT-Studie konnte gezeigt werden, dass 96 Prozent der geclippten Aneurysmen und nur 48 Prozent der gecoilten Aneurysmen nach sechs Jahren noch komplett (>95 Prozent) verschlossen waren. Von den geclippten Patienten musste innerhalb des Untersuchungszeitraums nur einer, von den gecoilten Patienten insgesamt 21 nachbehandelt werden (p=0,001).

Zusammenfassend kommt die BRAT-Studie daher zu dem Schluss, dass Clipping hinsichtlich des Outcomes und des Nachbehandlungsrisikos gegenüber dem Coiling zu favorisieren ist.
Diese Daten unterstützen die Notwendigkeit einer erneuten randomisierten Studie mit Langzeituntersuchung, um die optimale Versorgung von Patienten mit sakkulären Aneurysmen zu ermitteln.

Spetzler RF, Zabramski JM, McDougall CG, Albuquerque FC, Hills NK, Wallace RC, Nakaji P. Analysis of saccular aneurysms in the Barrow Ruptured Aneurysm Trial (BRAT) Journal of Neurosurgery 2017; Feb 24:1-6. doi: 10.3171/2016.9.JNS161301.
 

6. CENTER-TBI-Schädel-Hirn-Trauma-Versorgung in Europa

Das Schädel-Hirn-Trauma (SHT) ist nach wie vor eine der führenden Ursachen für Todesfälle oder Behinderung weltweit. Allein in Europa erleiden 849/100000/Jahr ein SHT. Trotz vieler Studien ist die Evidenz für die Behandlung von Patienten mit SHT vergleichsweise niedrig und es wird derzeit angezweifelt, ob man allein mit randomisierten Studien zur Verbesserung der Behandlung beitragen kann. Daher werden immer häufiger vergleichende Effektivitätsstudien durchgeführt, um die Evidenz der Behandlung zu verbessern.

Die CENTER-TBI-Studie wollte Unterschiede in der Behandlung von SHT-Patienten innerhalb Europas untersuchen. Daher wurden elf Fragebögen mit insgesamt 321 Fragen auf der Grundlage von Literaturstudien, der Neurotrauma evidence map sowie Expertenbefragungen entwickelt, um ein sogenanntes Provider-Profil zu erstellen. Die Fragebögen beschäftigten sich mit strukturellen Fragen (Bettenzahl, fachspezifische Intensivstationen, Personalschlüssel etc.) sowie Behandlungsalgorithmen (Zeitpunkt einer CT-Untersuchung, Aufnahme auf die Intensivstation, Anlage einer Drucksonde etc.). Zur Validierung der Fragebögen wurden 17 Fragen doppelt eingebaut und die Übereinstimmung bei der Beantwortung der doppelten Fragen mit mehr als 90 Prozent als Referenz für Validität angesehen. Die Fragebögen wurden an 71 Zentren in 20 Ländern europaweit verschickt und als komplett bewertet, wenn mehr als 90 Prozent der Fragen, insbesondere aber die strukturbezogenen Fragen, entsprechend beantwortet wurden, um Informationen über die einzelnen Zentren zu erhalten. Die Auswertung erfolgte dann nach Art der Zentren (akademisches Krankenhaus, Traumazentrum etc.), Art des Gesundheitswesens, und ob die Zentren in Ländern mit hohem oder niedrigem Durchschnittseinkommen liegen.

Alle 71 Zentren hatten die Fragebögen bezüglich der strukturellen Gegebenheiten ihres Krankenhauses ausgefüllt. Die Beantwortung erfolgte durch mehrere Personen pro Zentrum (Neurochirurgen, Neurologen, Pflegepersonal etc.). Im Durchschnitt gab es 2,5 Zentren pro Land, wobei Großbritannien mit neun die höchste Beteiligung hatte. 65 Prozent der Zentren waren akademische Lehrkrankenhäuser, die als Level-I- oder -II-Traumazentren ausgelegt waren. Der Großteil der Zentren war städtisch (99 Prozent), 57 hatten einen eigenen Hubschrauberlandeplatz, 63 ein designiertes Traumateam. 40 Zentren zeichneten sich durch eine eigene NeuroIntensivstation aus. Bezüglich der Patientenzahlen waren Daten von 63 Zentren verfügbar. Die durchschnittliche Aufnahme von SHT-Patienten auf der Intensivstation lag bei 91 pro Jahr (52-160), operative Behandlungen (Entlastungskraniektomie, Entlastung von Kontusionen) wurden 22 pro Jahr (12-43) durchgeführt. Im Durchschnitt waren 14 Neurologen, 10 Neurochirurgen, 17 Intensivmediziner, 4 Traumachirurgen und 11 Notaufnahmeärzte angestellt. 69 Zentren verfügten über ein Programm zur Ausbildung von Fachärzten. 45 Zentren hatten eine „geschlossene Intensivstation“ (fachspezifisch), 22 eine offene Organisationsstruktur der Intensivstationen, der Rest „andere“ Organisationsstrukturen. Je höher das Durchschnittseinkommen des Landes war, desto häufiger war die Intensivstation fachspezifisch organisiert. Für die Versorgung der SHT-Patienten waren Notfallmediziner, Neurochirurgen und Intensivmediziner zuständig. Auf den Intensivstationen betrug das Verhältnis von Arzt zu Patient bzw. Pflegepersonal zu Patient 1:5 bzw. 1:2. Die nächtliche Versorgung auf der Intensivstation war in 44 Zentren (65 Prozent) durch einen Intensivmediziner mit Zusatzbezeichnung gewährleistet. Dies war in den Ländern mit niedrigem Durchschnittseinkommen erstaunlicherweise in 92 Prozent und in den Ländern mit hohem Durchschnittseinkommen nur in 58 Prozent der Zentren der Fall.

Bezüglich der „Standardversorgung“ von SHT-Patienten haben 68 Zentren die Fragen beantwortet. 54 Zentren (79 Prozent) gaben an, CT-Richtlinien in der Notaufnahme zu haben und anzuwenden. Von 71 Zentren verwandten sieben zusätzlich den Marker S-100 als prognostischen Faktor. Bezüglich der Aufnahmestrategie von SHT-Patienten auf die Intensivstation gab es deutliche Unterschiede. Von insgesamt 69 Zentren wurden Patienten mit mittelschwerem SHT (GCS 9-12) ohne auffällige CT-Befunde in 50 Zentren (72 Prozent) nicht auf eine Intensivstation (ITS) aufgenommen, außer es lagen besondere Risikofaktoren vor. Elf Zentren nahmen diese Patienten immer auf die ITS auf. Im Falle von pathologischen CT-Befunden (z.B. Kontusionen) wurden die Patienten in 44 Zentren (64 Prozent) immer und in 25 Zentren (36 Prozent) nur bei zusätzlichen Risikofaktoren auf die ITS aufgenommen. Bei leichtem SHT (GCS 13-15) und Einnahme von Antikoagulantien nahmen nur 16 Zentren (23 Prozent) die Patienten generell auf eine ITS auf, 59 (77 Prozent) nur bei Pathologie im CCT oder anderen Risikofaktoren.

Bezüglich einer Hirndruckmessung wurden die Fragen von 67 Zentren ausreichend beantwortet. Bei Patienten mit schwerem SHT (GCS <9) und Pathologie im CCT war die Anlage einer Hirndruckmesssonde (ICPS) in 61 Zentren (91 Prozent) Standard, in sechs Zentren (9 Prozent) wurde eine Drucksonde nicht oder nur bei zusätzlichen Risikofaktoren eingebracht. Bei schwerem SHT ohne Pathologie im CCT erfolgte nur noch in 15 Zentren (22 Prozent) generell die Anlage einer ICP-Sonde, in 52 Zentren (78 Prozent) nicht oder nur, wenn zusätzliche Risikofaktoren (Antikoagulation etc.) vorlagen. Bei einer intraventrikulären Blutung veranlassten 21 Zentren (31 Prozent) immer eine ICP-Sonde, 46 (69 Prozent) keine Druckmessung oder nur bei Vorliegen zusätzlicher Risikofaktoren. Welche Druckmessung angewandt wird (intraparenchymatös, intraventrikulär oder beides), unterschied sich ebenfalls: 21 Zentren arbeiteten ausschließlich mit intraparenchymatösen Sonden, sechs mit ventrikulären ICP-Sonden und 40 mit beiden Formen der Druckmessung. Auch die Grenzwerte, ab denen Hirndruck (ICP) therapiert wurde (66 Zentren vollständige Angaben), variierten von >15 mmHg in drei Zentren (5 Prozent), >20 mmHg in 57 Zentren (86 Prozent) und >25 mmHg in sieben Zentren (9 Prozent). Auch die ICP-Werte für die Indikation zur Entlastungskraniektomie unterschieden sich deutlich. Von 61 Zentren galt in sieben Zentren (12 Prozent) ein ICP >20 mmHg, in 35 Zentren (57 Prozent) ein ICP von >25 mmHg und in 19 Zentren (31 Prozent) der ICP >30 mmHg als Indikation zur Entlastungskraniektomie. Von 69 Zentren gaben hierbei 33 Zentren (48 Prozent) an, dass die Anlage einer ICP-Sonde von dem diensthabenden Neurochirurgen abhängt sei und nicht von einer Klinikrichtlinie.

Diese Zahlen belegen, dass selbst eine Maßnahme wie die Hirndruckmessung, die eigentlich einer „Standardmaßnahme“ bei schwerem SHT entspricht und von der Brain Trauma Foundation in deren Richtlinien empfohlen wird, innerhalb der europäischen Union und auch an deutschen Kliniken nicht einheitlich gehandhabt wird. Die deutliche Variation, die selbst innerhalb spezialisierter Zentren mit hohen Behandlungszahlen auftrat, eröffnet Möglichkeiten, Effektivität verschiedener Behandlungsfaktoren nach SHT zu untersuchen.

Cnossen MC, Polinder S, Lingsma HF, Maas AI, Menon D, Steyerberg EW; CENTER-TBI Investigators and Participants. Variation in Structure and Process of Care in Traumatic Brain Injury: Provider Profiles of European Neurotrauma Centers Participating in the CENTER-TBI Study PLOS One 08/2016; 11(8):e0161367. doi: 10.1371.

 

7. Subgruppenanalyse der INTERACT-1-Studie: Blutdruckeinstellung nach intrakranieller Blutung

Es ist bekannt, dass es nach einem Schlaganfall häufig zu einer kognitiven Beeinträchtigung kommt. Dies gilt ebenso für intrazerebrale Blutungen (ICB), die eine besonders schwere Form des Schlaganfalls darstellen. Hierbei ist im Langzeitverlauf eine Beeinträchtigung der kognitiven Fähigkeiten bekannt. Allerdings gibt es nur wenig Daten bezüglich der frühen kognitiven Beeinträchtigung nach ICB. Daher wertete die vorliegende Studie die Daten der INTERACT-1-Studie (offene randomisierte Studie zur Wirksamkeit von intensiver Blutdrucksenkung auf <140 mmHg systolischen Blutdruck versus Standardblutdrucksenkung bei Patienten mit ICB) nach 90 Tagen im Hinblick auf die Häufigkeit sowie die Prädiktoren der kognitiven Einschränkungen der Patienten aus.

Insgesamt 404 Patienten mit CT gesicherter ICB, die innerhalb von sechs Stunden aufgenommen wurden und erhöhten Blutdruck (systolischer Blutdruck/ RRs >150 mmHg) aufwiesen, wurden in die INTERACT-1-Studie eingeschlossen und randomisiert in die intensive RRs-Kontrolle (<140 mmHg RRs) und die Standard RRs-Behandlung (RRs <180 mmHg) eingeschlossen. Die Schwere der Blutung wurde anhand der Glasgow Coma Scala und der National Institute of Health Stroke Scale (NIHSS) bei Aufnahme, nach 24 Stunden und bei Entlassung bzw. nach sieben Tagen beurteilt. Die kognitive Beeinträchtigung wurde mithilfe der Mini Mental State Examination (MMSE) 90 Tage nach der Blutung untersucht. Als kognitive Beeinträchtigung wurde ein MMSE ≤24 gewertet und eine Sensitivitätsprüfung wurde zusätzlich bei Patienten mit schwerer kognitiver Einschränkung (MMSE ≤18) durchgeführt.

Von den 404 Patienten verstarben 46 innerhalb von drei Monaten und bei 127 lag kein korrekter MMSE vor. Von den 231 verbleibenden Patienten waren 35,5 Prozent weiblich und das mittlere Alter betrug 64 Jahre (52-72). Insgesamt 75 Patienten hatten eine kognitive Beeinträchtigung mit MMSE ≤24. Als statistisch signifikante Risikofaktoren zeigten sich Alter (p=0,0001), weibliches Geschlecht (p=0,03), ICB in der Vorgeschichte (p=0,004) und die initiale Schwere der Blutung (p=0,04) in der Multivarianzanalyse. Darüber hinaus wurde festgestellt, dass das Erreichen bzw. Aufrechterhalten eines RRs <140 mmHg innerhalb der ersten 24 Stunden seltener zu einer kognitiven Beeinträchtigung führt.

Zusammenfassend zeigt diese Studie, dass die behandelnden Ärzte der Intensivstationen oder Stroke Units mit einer suffizienten Blutruckeinstellung bei Patienten mit ICB durchaus einen positiven Einfluss auf die kognitive Leistungsfähigkeit der Patienten nehmen können. Daher sollte eine entsprechend strenge Blutdruckeinstellung das Ziel innerhalb der ersten 24 Stunden der Behandlung sein.

You S, Wang X, Lindley RI, Robinson T, Anderson CS, Cao Y, Chalmers J. Early Cognitive Impairment after Intracerebral Hemorrhage in the INTERACT 1 Study Cerebrovascular Diseases 2017; 7(3):173-180. doi: 10.1159/000481459.

 

Korrespondenz:

Dr. med. Sylvia Bele
Oberärztin, Uniklinikum Regensburg, Klinik und Poliklinik für Neurochirurgie
Franz-Josef-Strauß-Allee 11
93093 Regensburg
E-Mail: sylvia.bele@ukr.de

Studien 2016

Im Jahr 2016 wurde interessante und relevante Studien für die Neurointensivmedizin publiziert. An dieser Stelle sollen die wichtigsten Studien in aller Kürze zusammengefasst und zitiert werden, um einen Überblick zu verschaffen. Im Wesentlichen wurden Studien gesucht, die sich auf den ischämischen Schlaganfall, die Subarachnoidalblutung, die intrazerebrale Blutung, das Schädel-Hirn-Trauma und allgemeine Intensivbehandlung beziehen.

  • ENCHANTED Studie
  • TRACHUS Studie
  • FRESH SAH Score Studie
  • ATACH-II Studie
  • RESCUE-ICP Studie

 

1. ENCHANTED Studie

Die intravenöse Thrombolyse ist seit Jahren eine der wirksamsten Therapien beim akuten ischämischen Schlaganfall. In asiatischen Ländern wird häufig eine geringere Dosis verwendet um Blutungen als eine der häufigsten Komplikationen zu vermeiden. Eine große randomisierte Studie mit 3.310 Patienten (111 Zentren in 13 Ländern) verglich die Standardbehandlung von 0,9mg/kg rekombinantem Tissue Plasminogen Aktivator (rtPA) mit einer erniedrigten Dosis von 0,6mg/kg Körpergewicht. 2/3 der Patienten waren asiatisch. Der primäre Studienendpunkt war allerdings der Nachweis einer Nicht-Unterlegenheit der geringeren Dosierung im Vergleich zur Standarddosierung anhand der modified Ranking Scale (mRS) nach 90 Tagen. Die Studie verfehlte hierfür allerdings eine statistische Signifikanz, so dass eine Nicht-Unterlegenheit nicht nachgewiesen werden konnte. Die beiden sekundären Endpunkte allerdings, das Auftreten von intracerebralen Blutungen (ICB) und von tödlichen Zwischenfällen, waren signifikant geringer in der Gruppe der Patienten mit niedriger Dosierung (ICB: Geringe Dosis 1% versus Standard Dosis 2,1%; Tod nach 7 Tagen: Geringe Dosis 0,5% versus Standard Dosis 1,5%). Zusammenfassend führte eine systemische Thrombolyse in reduzierter Dosis von 0,6 mg/kg im Vergleich zur Standarddosierung häufiger zu einer Behinderung, jedoch weniger häufig zu intracerebralen Blutungen und zu weniger tödlichen Zwischenfällen. Die Studie wurde unterschiedlich interpretiert. Dennoch könnte im klinischen Alltag bei Patienten mit erhöhtem Blutungsrisiko eine reduzierte Dosis eingesetzt werden, beispielsweise bei vorbestehender ausgeprägter Leukencephalopathie oder cerebraler Amyloidangiopathie.

Anderson CS et al. Low-Dose versus Standard-Dose Intravenous Alteplase in Acute Ischemic Stroke. N Engl J Med. 2016 Jun 16;374(24):2313-23. doi: 10.1056/NEJMoa1515510. Epub 2016 May 10.

 

2. TRACHUS Studie

Die perkutane Tracheotomie (PT) ist eine Standardprozedur auf Intensivstationen aller Fachrichtungen. Vor allem der korrekte Zeitpunkt ist aktueller Diskussionspunkt in der Wissenschaft. Allerdings führt die Durchführung der PT zu einem transienten Anstieg des intrakraniellen Druckes, unter anderem durch die Notwendigkeit einer Bronchoskopie. Kürzlich konnte in der TRACHUS Studie gezeigt werden, dass eine Ultraschall-gestützte Tracheotomie einer Bronchoskopie-gesteuerten Tracheotomie nicht unterlegen ist.  In dieser monozentrischen randomisierten Studie wurden 118 Patienten auf chirurgischen und internistischen Intensivstationen eingeschlossen. Der primäre Endpunkt (Abbruch der Prozedur und die Notwendigkeit einer chirurgischen Tracheotomie) betrug in beiden Gruppen nur 1,7%. Neurologische Patienten waren nicht eingeschlossen. Die Anwendung einer Ultraschall-gestützten Tracheotomie bei Neuro-Intensivpatienten ist ein interessanter Therapieansatz, da hierdurch ein ICP-Anstieg bei Patienten mit akuten cerebralen Schädigungen durch Eliminierung der Bronchoskopie verhindert werden könnte. Allerdings war das mittlere Patientenalter in dieser Studie mit 49 Jahren sehr jung und nur 6% der Patienten wurden als „kurzhalsig“ klassifiziert. Erfahrungsgemäß ist das neuro-intensivmedizinische Patientenkollektiv älter und dies zeigt häufiger schwierige anatomische Verhältnisse.

Gobatto AL et al. Ultrasound-guided percutaneous dilational tracheostomy versus bronchoscopy-guided percutaneous dilational tracheostomy in critically ill patients (TRACHUS): a randomized noninferiority controlled trial. Intensive Care Med. 2016 Mar;42(3):342-51. doi: 10.1007/s00134-016-4218-6. Epub 2016 Feb 1.

 

3. FRESH SAH Score Studie

Patienten mit akuten Subarachnoidalblutungen (SAB) haben eine hohe Mortalitätsrate und können eine Vielzahl von Komplikationen im Rahmen ihrer Intensivbehandlung entwickeln. Eine Prognoseabschätzung innerhalb der ersten Tage ist deshalb häufig schwierig. Eine prospektive Studie aus New York an 1.526 SAB-Patienten evaluierte prognostische Frühfaktoren (erhobene Parameter innerhalb von 48 Stunden), die das Langzeit-Outcome der Patienten beeinflussen. Im Gegensatz zu früheren Skalen wurden als Outcomeparameter neben dem Grad der Behinderung auch Lebensqualität und kognitive Defizite berücksichtigt. Die Forscher entwickelten die FRESH Skala (Functional Recovery Expected after Subarachnoid Hemorrhage), die Patientenalter, Hunt&Hess Skala, physiologische Daten der APACHE-II Skala und die Nachblutungsrate innerhalb von 48 Stunden beinhaltet. Ein schlechtes Langzeit-Outcome korrelierte stark mit erhöhten Werten auf der FRESH Skala und zeigte auch in einer externen Validierung mit Patienten der  CONSCIOUS-1 Studie vergleichbare gute Ergebnisse. Mithilfe des neu entwickelten Risikoscores lässt sich erstmals das Langzeit-Outcome bezüglich unterschiedlicher Qualitäten (Behinderung, kognitiver Defizite und Lebensqualität) bereits 48 Stunden nach Subarachnoidalblutung gut voraussagen. Hierfür wurde eigens eine Smartphone-App entwickelt, die durch die Autoren kostenlos zur Verfügung gestellt wird.

Witsch J et al. Prognostication of long-term outcomes after subarachnoid hemorrhage: The FRESH score. Ann Neurol. 2016 Jul;80(1):46-58. doi: 10.1002/ana.24675. Epub 2016 May 25.

 

4. ATACH-II Studie

Die Aggressivität der Blutdrucksenkung bei Patienten mit einer akuten intracerebralen Blutung (ICB) steht seit Jahren auf dem Prüfstand. Im vergangenen Jahr zeigte die INTERACT-II Studie, dass keine Nachteile aus einer aggressiven Blutdrucksenkung auf einen systolischen Zielwert von 140 mmHg entstehen. In der ATACH-II Studie wurde nun untersucht, ob das Anstreben eines systolischen Zielwerts von 110-139 mmHg mittels einer kontinuierlichen Perfusion des Kalziumkanalblockers Nicardipin einen Vorteil mit sich bringt gegenüber dem derzeit empfohlenen Wert von 140-179 mmHg. Eingeschlossen und randomisiert wurden 1000 Patienten. Im Zuge einer Interimsanalyse mit zuvor definierten Endpunkten wurde die Studie wegen der Aussichtslosigkeit auf Erreichen eines signifikanten Behandlungsunterschieds vorzeitig gestoppt („Futility“). Zudem zeigte sich eine signifikante Verschlechterung der Nierenfunktion in der aggressiver behandelten Gruppe, so dass die Senkung des systolischen Blutdrucks unter 140 mmHg nicht empfohlen werden kann.

Qureshi A et al. Intensive Blood-Pressure Lowering in Patients with Acute Intracerebral Hemorrhage (ATACH-II). N Engl J Med 2016; 375:1033-1043 September 15, 2016

 

5. RESCUE-ICP Studie

Als eine Art Wunderwaffe der Neuro-Intensivmedizin hat die dekompressive Kraniektomie zur Behandlung von raumfordernden Infarkten oder Blutungen oder zur Reduktion des intrakraniellen Drucks (ICP) in den vergangenen zwei Jahrzehnten breite Anwendung gefunden. Signifikante Behandlungserfolge bezüglich der Verbesserung von Mortalität und funktionellem Outcome wurden jedoch mit einem hohen Grad der Evidenz bislang nur für den raumfordernden hemispheriellen Infarkt („maligner Mediainfarkt“) erkannt (z.B. DESTINY Studien). Die RESCUE-ICP Studie hatte das Ziel, Patienten mit einem schweren Schädel-Hirn Trauma (SHT) und refraktären ICP-Erhöhungen über 25 mmHg für 1 – 12h hinsichtlich eines Behandlungsvorteils durch die Dekompressionstrepanation zu untersuchen. Die Patienten wurden nach vollständiger Ausschöpfung alternativer ICP-senkender Massnahmen ausser des Barbituratkomas in zwei Gruppen randomisiert, die eine erhielt eine dekompressive Craniektomie, die andere weiterhin konservative ICP senkende Massnahmen. Der intrakranielle Druck wurde durch die Dekompressionstrepanation gegenüber der nicht operierten Gruppe signifikant gesenkt, nach 6 Monaten zeigte sich eine signifikant reduzierte Sterberate, allerdings zu ungunsten schwerer Behinderungen gemessen anhand der erweiterten Glasgow Outcome Scale (GOSe) (8-Punkte) Skala. Im Bereich des guten funktionellen Outcomes konnten keine Unterschiede nachgewiesen werden und die Komplikationsdichte war aufgrund der operativen Intervention erhöht. Die mit der Studie einhergehende Hypothese, dass die Dekompressionstrepanation beim SHT ähnlich gute Erfolge mit sich bringt wie beim ischämischen Schlaganfall hat sich nicht bewahrheitet, so dass die Dekompression nur in einzelnen Fällen als Rescue-Therapie diskutiert werden sollte.

Hutchinson PJ et al. Trial of Decompressive Craniectomy for Traumatic Intracranial Hypertension (RESCUEicp). N Engl J Med. 2016 Sep 22;375(12):1119-30. doi: 10.1056/NEJMoa1605215. Epub 2016 Sep 7.
 

Die Autoren:

Dr. med. Christian Roth
Leitender Oberarzt, Neurologische Klinik, Klinikum Kassel
Mönchebergstraße 41–43
34125 Kassel
mail: christian.roth@klinikum-kassel.de

PD Dr. med. Berk Orakcioglu
Ethianum Heidelberg
Voßstraße 6
69115 Heidelberg
mail: borakcio@gmail.com

Wichtige Publikationen NeuroIntensivmedizin aus der NCH und NEU

Auch in diesem Jahr werden Ihnen wieder wichtige Publikationen zur NeuroIntensivmedizin vorgestellt. Dr. med.Sylvia Bele, IFAANS, Uniklinikum Regensburg, Klinik und Poliklinik für Neurochirurgie, befasst sich mit interessanten Artikelnzu nicht neurologischen Komplikationen bei NeuroIntensivpatienten. Zum einen geht es um eine Untersuchungzu der Häufigkeit einer akuten Nierenschädigung (AKI) und die Auswirkungen auf das Outcome bei Patienten mit unterschiedlicherzerebraler Pathologie nach der aktuellen Literaturlage: „Acute Kidney Injury at the Neurocritical Care Unit“, zum andern um eine Untersuchung extrakranieller Folgen und deren Pathophysiologie nach akuter Hirnschädigung (ABI): „Review of Distant Organ Damage in Acute Brain Injury“. Einmal etwas anderes – der Review über einen Reviewartikel – kommt von Prof. Dr. Thomas Westermaier, MHBA, Chefarzt Neurochirurgie Helios Amper-Klinikum Dachau, Akademisches Lehrkrankenhaus der Ludwig-Maximilians-Universität München: Ketamine in acute phase of severe traumatic brain injury “an old drug for new uses?