Liebe Kolleginnen und Kollegen,
im Februar habe ich turnusgemäß die Präsidentschaft an Prof. Dr. Matthias Klein übergeben. Ich möchte Ihnen gerne einen kurzen Rückblick auf meine Zeit als Präsident der DGNI geben, die vor allem politisch turbulent war. Die letzten zwei Jahre waren ereignisreich, herausfordernd aber auch sehr interessant. Die Zeit stand sicher im Zeichen einer großen Reform des Krankenhauswesens, die nun auch Anfang des Jahres in Kraft getreten ist. Am Anfang stand der Gedanke, dass manche Behandlungen unnötig sein könnten oder Behandlungsindikationen aus wirtschaftlichen Gründen anders gemacht würden als das medizinisch notwendig ist. Kolportiert wurde dies zuletzt etwas anders, nämlich dass das Reformvorhaben zu einer Verbesserung der Behandlungsqualität führen soll. Weniger Kliniken sollen komplexe Medizin machen. Somit solle Kompetenz gebündelt werden und Patientinnen und Patienten davon profitieren. Als Qualitätsoffensive getarnt wurden also mehrere Referentenentwürfe vorgelegt, die durch die Fachgesellschaften zu analysieren und zu kommentieren waren.
Aber der Reihe nach: Als erstes sollten Krankenhauslevel eingeführt werden, denen Kompetenzen zugeteilt werden sollten. Ein Sturm der Kritik führte dazu, dass das Gesundheitsministerium diesen Gedanken fallen ließ. Immerhin hätte das komplett negiert, dass nicht nur in Kliniken der Maximalversorgung medizinische Spitzenversorgung angeboten wird. Fallen gelassen wurde der Gedanke aber vor allem deshalb, weil er eine zu große Umstrukturierung bedeutet hätte, nicht finanzierbar gewesen wäre und weil er die Flächenversorgung gefährdet hätte. Kurzerhand wurde dann zurückgegriffen auf ein System von Leistungsgruppen, das in Nordrhein-Westfalen bereits in die Tat umgesetzt ist. Nun ist es an den Landesregierungen, die Leistungsgruppen den Kliniken zuzuordnen. Diese müssen sich nun erst sortieren - ebenso wie die Kliniken. Die Kliniken haben erst kürzlich einen groben Zeitplan über die nächsten Schritte erhalten.
Wie ich oben bereits erwähnt habe, durften die Fachgesellschaften die Entwürfe und Korrekturen kommentieren. Die Kommentarphasen waren aus meiner Sicht „unterirdisch“ organisiert. Sie waren geprägt durch extrem kurze Antwortfristen, die einerseits erkennen ließen, dass hier ein unbedingter politischer Wille da ist, eine große Reform zu gestalten und sich damit in Geschichtsbüchern zu verewigen, andererseits, dass auf den Input von nicht professionell geführten medizinischen Fachgesellschaften überhaupt kein Wert gelegt wurde. Zusätzlich zu den Kommentaren fanden bei diesen Vorhaben Anhörungen der Verbände statt, in denen nicht nur Fachgesellschaften sondern auch andere Verbände wie Kostenträger und Sozialverbände eingeladen wurden. Hier musste ich leider registrieren, wie sehr viel besser und professioneller vor allem die Kostenträger und deren Spitzenverbände inklusive Medizinischer Dienst sich vernetzen, um Lobbypolitik zu machen. Was bedeutet das? Sicher nicht, dass die Qualität der Medizin gewinnt. Das ist sicherlich nicht die Motivation dieser Gruppen.
Mitte März wurde nun noch der Transformationsfonds auch im Bundesrat verabschiedet, sozusagen der Deckel auf den Topf gesetzt. Mit den 50 Mrd. aus der Bundes- und Länderkasse soll den Kliniken bei der Vernetzung geholfen werden und der Rückbau - richtig gehört! - von Abteilungen und Kliniken finanziert werden. Das ist nun tatsächlich gegen unser ureigenstes Interesse als DGNI. Warum? Weil die Neuromedizin, insbesondere die Schlaganfallmedizin ja jetzt bereits sehr gut vernetzt ist, aber auch abhängig ist von einer schnellen lokalen Versorgung, die bei der Schießung kleiner Abteilungen dann nicht mehr stattfinden wird. Am Ende dürfen Patientinnen und Patienten, Ärztinnen, Ärzte und Pflegekräfte den zwanghaften politischen Willen von Einzelpersonen ausbaden. Unsere Forderung nach einer zwingenden Personalbemessung für Ärzte wurde ebenfalls nicht in das Gesetz integriert. Die einmalige Chance wurde verpasst.
Es gibt aber auch Positives zu berichten - vor allem DGNI-interner Natur. Die letzten beiden Jahre waren geprägt von einem interprofessionellen Weg und dem Beginn einer zunehmenden Internationalisierung. Beides liegt mir auch persönlich sehr am Herzen. Nach einem Ausbau der Pflegesymposien auf der ANIM und einer interprofessionellen Round Table-Veranstaltung auf der ANIM 2024 gründete sich im vergangenen Jahr die Kommission Pflege und Therapie der DGNI. Der Unterschied zu anderen Fachgesellschaften ist, dass sich die Kommission als Initiative aus den Reihen der Pflege und Therapie formiert hat und nicht vom Vorstand gegründet wurde. Die zukünftige Struktur der ANIM wird geprägt sein von interprofessionellen Symposien, die die integrierte multiprofessionelle Versorgung in der NeuroIntensivmedizin widerspiegeln.
Zudem wird sich in unserer Jahrestagung ein internationaler Track wiederfinden. Die DGNI ist immerhin die einzige neurointensivmedizinsche Fachgesellschaft in Europa. Dem müssen und dürfen wir Rechnung tragen. Wir können eine führende Rolle auf dem Gebiet der NeuronIntensivmedizin und Neuronotfallmedizin übernehmen, vor allem in Europa, und uns global vernetzen.
Dem Präsidium der DGNI bleibe ich als Past President und als Kongresspräsident der ANIM 2027 noch eine Weile erhalten. Ich wünsche meinem Nachfolger und dem Präsidium viel Erfolg und Spaß bei der Leitung der besten medizinischen Fachgesellschaft.
Viele Grüße
Thomas Westermaier