ANIM 2025 - 42. Arbeitstagung NeuroIntensivMedizin startet in Berlin

Kongresseröffnung

Zur feierlichen Eröffnung der 42. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für NeuroIntensiv- und Notfallmedizin und der Deutschen Schlaganfallgesellschaft in Berlin betonte der diesjährige Tagungspräsident Prof. Dr. Matthias Klein, dass die Neuro- und Intensivmedizin ein dynamisches und herausforderndes Feld sei, das ständige Weiterentwicklung und Austausch erfordert. Prof. Dr. Thomas Westermaier, Präsident der DGNI, verwies auf viele politische Entscheidungen und Beschlüsse, die uns die nächsten Jahre noch beschäftigen werden. Vor allem die Auswirkungen der geplanten Krankenhausreform sei heute noch unbekannt. Ein Austausch ist daher ganz entscheidend.

In den kommenden Tagen setzt sich die Arbeitstagung mit den neuesten Fortschritten, Herausforderungen und Perspektiven auseinander. Insgesamt 84 Sitzungen spiegeln die fünf aktuellen Brennpunkte wider: intrakranielle Blutungen, Neuroinfektiologie und -immunologie in der Intensivmedizin, neurologische und neurochirurgische Notfallmedizin, KI in der NeuroIntensiv- und Notfallmedizin sowie Neuromonitoring und Prognoseabschätzung. Neu unter den 84 Sessions sind die Diskussionsforen. Es wurden über 90 wissenschaftliche Abstracts eingereicht.

Preisverleihungen während der Kongress-Eröffnung

Prof. Dr. Thomas Westermaier verlieh den mit 20.000 Euro dotierten DGNI-Nachwuchsförderungspreis 2025 an Dr. Paul Vincent Naser, Klinik für Neurochirurgie, Universitätsklinikum Heidelberg für die Arbeit zum Thema „PREDICT-ICU: Präoperative Risikoevaluation für die Entscheidung zur Überwachung auf der Intensivstation nach intrakraniellen Eingriffen“. Prof. Dr. Anne-Kathrin Cassier-Woidasky vergab den mit 10.000 Euro dotierten DGNI Pflegewissenschaftspreis 2025 an Vanessa Vater, Neurologisch-Neurochirurgische Intensivstation, Universitätsklinikum Frankfurt am Main für ihre Arbeit zum Thema „PRONeuro: Prävention und Optimierung der Neuro-Intensivpflege zur Reduktion von mechanischen Fixierungen“.

Während der Kongresseröffnung hielt Dr. Moritz L. Schmidbauer, der 2024 mit dem alle zwei Jahre verliehenen DGNI-Zukunftspreis geehrt wurde, einen Vortrag zum Verlauf seines Projekts „Ultramodern NCC: Ultrasound Tomography for Bedside Cross-Sectional Imaging in Neurocritical Care“. Fazit der Untersuchung: Intrahospitale Intensivtransporte zur Bildgebung sind häufig, unnötig und gefährlich. Drei bis vier Transporte pro Patient sind in 68-80 % ohne Notfallindikation. Nur in 30-60 % der Fälle führten diese Untersuchungen zu therapeutischen Konsequenzen, während in 50-60 % der Fälle kritische neurologische und nicht-neurologische Komplikationen vorkamen. Dagegen sei ein Point of Care Ultrasound (POCUS) am Bett anwendbar, nicht invasiv, aber ungenau. Tomographischer Ultraschall könnte die Lösung sein. Die prospektive „proof of concept“ Studie zeigte, dass tomographischer Ultraschall machbar, präzise, konsistent und valide sei.

Neuer Rekord: 10 wissenschaftliche Symposien am ersten Kongresstag!

„Wichtig ist, dass wir in unseren medizinisch-wissenschaftlichen Kernkompetenzen am Ball bleiben“, betonte Prof. Dr. Thomas Westermaier zur Kongresseröffnung. Bei der ANIM 2025 geht es dann auch direkt los: Die ersten 10 wissenschaftlichen Symposien finden gleich am ersten Tag statt – ein neuer Rekord! „Fallstricke und besondere Herausforderungen in der Notaufnahme“ macht den Anfang, denn oft muss unter Zeitdruck und bei unvollständigen Informationen über gezielte Diagnostik und die adäquate Therapie entschieden werden. Weitere Symposien behandeln „Bedeutung und Komplikationen von Tracheotomien in der (Neuro-)Intensivmedizin“, „Neuroinfektionen in einer globalisierten Welt“ und „Externe Ventrikeldrainage und lumbale Drainage - praktische Umsetzung“. Weiterhin gibt es Aktuelles – von neuen Leitlinien bis hin zur KI in den Symposien „Neue Leitlinien und Empfehlungen in der Neuro-Notfall und Intensivtherapie“, „Prähospitale neurologische Notfallmedizin – Quo vadis?“ und „Monitoring, Prognostik, Intervention mit KI-gestützten Methoden in der Neurointensivmedizin“. Ein Paradebeispiel für interdisziplinäre Zusammenarbeit mit einem Schwerpunkt auf der neurointensivmedizinischen Weiterversorgung ist die Session „Interdisziplinäres Management von intracerebralen Blutungen – Ready for prime time?“. Weitere Symposienthemen sind „Notfallmanagement des Schlaganfallpatienten in Telenetzwerken“ und „Besondere Aspekte des Neuromonitorings“

Diskussionsforum Neurointensivmedizinisches Management der Intracerebralen Blutung (ICB) – Pro und Contra

Das erste Diskussionsforum unter dem Vorsitz von Dr. Sylvia Bele, Regensburg und Prof. Dr. Konstantinos Dimitriadis, München, war trotz der frühen Stunde gut besucht, die kontroversen Pro- und Contra-Kurzvorträge gaben Zündstoff für heiß geführte Diskussionen.

Beim ersten Thema „Unterschiedliche Algorithmen zum Neuromonitoring der ICB“ ging es um die Frage, ob immer eine CT durchgeführt werden müsste, die mit zeitaufwändigen und oft risikobehafteten Transportfahrten der Patienten einhergehen, oder in welchen Fällen stattdessen auch Ultraschall am Bett möglich wäre. Dr. Moritz L. Schmidbauer, München, vertrat in seinem Vortrag die „Pro Bedside-Verfahren/Contra regelmäßige Schnittbildgebung“-Ansicht. Die Präsentation von PD Dr. Sarah Reitz, Frankfurt, lieferte die gegenseitigen Argumente. Ihre Frage in die Runde „Vertraut ihr dem, der Ultraschall macht?“ löste allgemeines Gelächter aus. „Wenn Ultraschall, dann selbst durchgeführt“ war der allgemeine Tenor. Generell wurde aber hervorgehoben, dass ultraschallbasierte Tomographie aufgrund der dreidimensionalen Bildgebung eine gute Alternative sein könnte. Zumal auch von neuroradiologischer Seite immer mehr Rückfragen kämen, ob die Patienten so gehäuft der CT-Strahlenbelastung ausgesetzt werden müssten. Auch wenn meistens CT-Aufnahmen gemacht würden, sah die Neurochirurgin Dr. Bele im tomographischen Ultraschall „extrem viel Potential“. Außerdem sei es eine gute Möglichkeit für Screening.

Beim zweiten Thema „Intraventrikuläre Lyse bei ICB“ vertrat Prof. Dr. med. Joji B. Kuramatsu, Rosenheim, das „Pro“, Dr. Stefan Wolf, Berlin, das „Contra“. Der Einstieg in seinen Vortrag, „Ich mag diese Gladiatorveranstaltungen, wo ich auf der falschen Seite spiele“, löste allgemeine Heiterkeit aus. Tatsächlich herrschte Konsens über die Vorteile der Lysetherapie bei ICB, die zu einer Verkürzung der intensivmedizinischen Behandlung führt. Der Effekt auf das funktionelle Outcome der Patienten: eindeutiger Benefit von 10 % nach einem halben Jahr,  weniger häufige Infektionen nach 30 Tagen.

Forum: Ausbildung in Neuro-Notfallmedizin (plus-minus Intensiv)

Die neuro- und intensivmedizinische Versorgung von Notfallpatienten stellt Ärztinnen und Ärzte täglich vor große Herausforderungen. Um diesen komplexen Aufgaben gerecht zu werden, ist eine fundierte und praxisnahe Ausbildung in der Neuro-Notfallmedizin unerlässlich. Unter Vorsitz von Prof. Dr. Julian Bösel und Dr. Anne-Sophie Biesalski fand eine Plattform für einen offenen und konstruktiven Austausch über die Herausforderungen und Chancen in der Aus- und Weiterbildung in diesem wichtigen Bereich statt. Im Diskussionsforum Ausbildung in Neuro-Notfallmedizin wurden die Möglichkeiten einer Ausbildung in der Neuro-Notfallmedizin aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet – aus Sicht der Ärzt:innen, Leitung der Notaufnahme, der Klinikleitung und der Fachgesellschaft wurde gemeinsam versucht, neue Wege für die Zukunft zu entwickeln.

Aus der Sicht der Ärztin Dr. Anne-Sophie Biesalski bildet die Weiterbildungsordnung der Bundesärztekammer die Notfallmedizin nicht ausreichend ab. Zwar gebe es ein Logbuch zur Notfallversorgung, das sei jedoch unzureichend. Viele junge Neurologen und Neurologinnen fühlen sich unsicher in Notfallsituationen. Umso wichtiger, dass junge Ärzte und Ärztinnen gut auf Notfallsituationen vorbereitet werden und Unterstützung erhalten.

Prof. Dr. Matthias Klein ergänzte aus Sicht der Leitung einer Notaufnahme, wie wichtig die Weiterbildung von Neurolog:innen in der Notaufnahme ist, um eine Versorgung von Patient:innen mit neurologischen Notfällen zu gewährleisten. Dabei sei es jedoch wichtig, die aktuellen Herausforderungen und Perspektiven zu berücksichtigen, um eine zukunftsorientierte Weiterbildung zu ermöglichen. Prof. Dr. Helge Topka sah aufgrund der Zunahme der Patienten und der Komplexität der Erkrankungen die neurologische Notfallversorgung vor großen Herausforderungen.

Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) spielt eine entscheidende Rolle bei der Gestaltung der neurologischen Versorgung und der Einflussnahme auf politische Entscheidungen. Prof. Dr. Lars Timmermann sieht Handlungsbedarf, die aktuelle Versorgungslandschaft zu optimieren, um eine flächendeckende und qualitativ hochwertige Versorgung zu gewährleisten. Dies beinhaltet die Anpassung der Klinikstrukturen und die Vernetzung von Versorgungseinrichtungen. Die Weiterbildung in der Neurologie müsse sowohl die praktische Erfahrung in der Notfallversorgung als auch die Vermittlung spezifischer Kompetenzen in verschiedenen Bereichen der Neurologie berücksichtigen.

Fortbildung ENLS, Kompaktkurs NeuroIntensiv, Pflegesymposien und Workshops

Der gemeinsame Jahreskongress der DGNI und der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft (DSG) bietet ein umfassendes Update für Mediziner:innen und Pflegefachkräfte im Bereich der neurologischen und neurochirurgischen Notfall- und Intensivmedizin mit besonderem Fokus auf dem Pflegebereich und für die Fort- und Weiterbildung. An drei Tagen gibt es 13 Workshops für alle Berufsgruppen, die an der NeuroIntensiv- und Notfallmedizin beteiligt sind, sowie sechs Pflegesymposien zum Austausch und Weiterbildung für Pflegekräfte. Dabei liegt ein besonderer Schwerpunkt auf der Bedeutung einer familienorientierten Versorgung.
Der Kompaktkurs NeuroIntensivmedizin bietet mit acht Sessions zu Themen wie neurovaskuläre Erkrankungen oder allgemeine Intensivtherapie ein intensives Programm für alle, die ihr Wissen schnell und effizient auffrischen möchten, beispielsweise zum Management des schweren Schädel-Hirn-Trauma.

Der ENLS-Kurs (Emergency Neurological Life Support) wurde für medizinisches Fachpersonal entwickelt zur Optimierung der Versorgung nach einem neurologischen Notfall. Auf der ANIM wurde zum ersten Mal das Update, die 6.0 Version von ENLS durch Kolleginnen und Kollegen der DGNI und unserer Partnerorganisationen präsentiert. Ein globales Thema, BRAIN Care über prähospitales Management eines Neuronotfalls ist dazugekommen. Der Kurs wurde von den 34 Teilnehmer:innen begeistert aufgenommen.

Relaunch DGNI-Homepage

Zeitgleich zur ANIM 2025 ist die neue modernisierte Homepage der Deutschen Gesellschaft für NeuroIntensiv- und Notfallmedizin online!
Entdecken Sie eine verbesserte Navigation sowie weitere Funktionen, darunter der Mitgliederbereich und ein Verzeichnis der Neurointensivstationen, in dem Sie Ihre aktuellen Daten hinterlegen können.
https://dgni.de/

Ausblick auf den 2. Kongresstag:

- Präsidentensymposium – KI in der NeuroIntensivmedizin 
10-11:30 Uhr

- Gesellschaftssymposien
der DSG 17:30 – 19 Uhr 
der ADNANI 15:30-17 Uhr
der DGNC 8 – 9:30 Uhr
der DGNR 

- Diskussionsforen: 
Teamperformance in der Notfallneurologie – Noch Luft nach oben?
8 – 9:30 Uhr
Prognosebesserung durch Team-Work in der Patientenbetreuung 
15:30-17 Uhr